Naturkultur – eine ökozentrierte Lebensweise

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Naturkult oder Naturverbindungskultur

Schwärmerische Naturerfahrung oder tiefe Naturmystik?

Dieser Sommer hat tiefe Einsichten in meine Tätigkeit und mein Wirken als Naturmentorin an die Oberfläche gebracht.

Ich verspüre schon seit langer Zeit einen wiederkehrenden Widerstand in mir, die in meinen Angeboten sich entfaltende Verherrlichung meines Tuns oder auch eine konsumierende Haltung oder aber auch eine sabotierende Sichtweise, zu bedienen. Hinzu mache ich auch immer wieder die Erfahrung einer nicht wertschätzenden und sogar belächelnden Manier meines Berufes. Natur ist in den letzten Jahren zum Trend geworden, die Angebote von Naturpädagogik, Waldbaden und heilsamen Naturseminaren boomen. Doch wie hoch der Stellenwert von Naturverbindung und einer regenerativen Naturkultur letztendlich bemessen wird, zeigt sich in der Prioritätensetzung des Lebensstils jedes Einzelnen.  Dazu habe ich auch schon vor einiger Zeit einen Blogbeitrag verfasst: https://simeoni.de/blog/naturverbindung-oder-naturkonsum/

Naturmystik ist eine radikale Art von Transformation, weil sie sich an einer natürlichen Dimension jenseits von Kultur orientiert. Vielleicht ist dieser Weg einer lebendigen Naturmystik, der achtsamen Hingabe an die natürliche Welt unsere große Chance?

Ursula und David Seghezzi beschreiben dies eindringlich in ihrem wegweisenden Buch:

Die Pandemie und die Konfrontation mit Krankheit, Verzicht und Tod haben die egozentrierte Gesellschaft in eine Krise katapultiert, die ihre Auswirkungen in vielschichtiger Weise sichtbar gemacht hat. Die offensichtlich unüberwindbaren Herausforderungen einer Klimakrise und ein schrecklicher Krieg mitten in Europa seit Frühjahr 2022, berühren die Menschheit auf eine dramatische Weise. Unser soziokulturelles Zusammenleben in der Gemeinschaft der Menschheit mit den gewachsenen Wertvorstellungen und sozialen Verhalten bedarf einer Regeneration und neuen Haltung zum Leben auf der Erde.

Diese tiefen Einsichten haben mich durch meine persönliche Lebensreise und einen genauen Blick auf das Lebensrad und ein seelenzentriertes Wachstum meiner Persönlichkeit an einen Wendepunkt gebracht.

Mögen wir uns nach innen wenden und dabei

stolpern über unsere wahren Wurzeln

in der beziehungsreichen Biologie

dieses vortrefflichen Planeten.

Mögen Nahrung und Kraft durch diese Wurzeln fließen

und die wilde Entschlossenheit, den Milliarden Jahre

alten Tanz weiter zu tanzen.

John Seed

Eine Kultur der gegenseitigen Bedingtheit, ohne Trennung, für eine zukunftsfähige Lebensweise könnte die Menschheit auf allen Ebenen des Seins nähren. Aber wie können wir das Dilemma lösen, dass unser menschliches Leben auf Mutter Erde unausweichlich beinhaltet, nämlich es würdevoll zu ehren und gleichzeitig für uns zu verbrauchen? Ein bescheidener und maßvoller Umgang mit dem Nehmen und Geben, dem Werden und Vergehen und eine Hinwendung zu den natürlichen Kreisläufen der Natur könnte uns dabei hilfreich sein. Kein Verzicht, sondern wahrhaft erfüllt leben. 

All die Jahre habe ich versucht, heilsame Gemeinschaften zu gestalten, die sich gegenseitig stärken, annehmen und im Zusammensein der Gemeinsamkeit spüren dürfen, dass sie angenommen und willkommen sind, in ihren einzigartigen Persönlichkeiten. Wenn es den Mitgliedern einer Gemeinschaft gelingt, sich in wahrhaftigen und liebevollen Begegnungen näher zu kommen, werden die Bedürftigkeiten, die aus nicht würdevollen Begegnungen gewachsen sind, zu echten heilsamen und sich gegenseitig nährenden Befruchtungen. Manchmal sind starke Verbindungen gewachsen, oft aber auch nicht. 

In der „Wildnis-und Naturszene“ haben die letzten zwei Jahre viele Wunden an die Oberfläche transportiert und einen bewussten menschlichen Umgang miteinander erschwert. Gerade in diesen friedvollen Gemeinschaften scheinen die Bedürfnisse nach Selbstdarstellung und Selbstvervollkommnung übermächtig zu sein. Diese traurige Wahrheit habe ich bereits erfahren, als ich mein erstes Buch veröffentlicht habe.

Doch die Welt ist keineswegs ein Problem, das es zu lösen gilt, sondern ein lebendes Wesen, zu dem auch wir gehören.

Sie ist ein Teil unserer selbst, und wir sind ein Teil ihrer leidenden Ganzheit.

Solange wir nicht unserer Vorstellung von der Abgetrenntheit auf den Grund gehen, kann es keine Heilung geben.

Und der tiefste Teil unserer Abgetrenntheit von der Schöpfung besteht darin, dass wir ihre heilige Natur vergessen haben, die auch unsere eigene heilige Natur ist.

Llewellyn Vaughan-Lee

Spirituelle Ökologie:Der Ruf der Erde

Naturentfremdung führt zur Selbstentfremdung

Von der Bedürftigkeit zur Fürsorge

Werfen wir einen gemeinsam Blick auf die Kulturgeschichte unser Zivilisation und in die Gegenwart unseres Lebens auf dem Planeten, können wir die Augen nicht verschließen. Trennenden Gesellschaftsstrukturen, Abwertung anderer Bevölkerungsgruppen, Gewalt, Enteignungen, Kolonialisierung haben ihren Ursprung in der Trennung. Die innere und äußere Trennung von der Natur ist als Ursache der ökosozialen Krise zu erkennen.

Haben wir uns so weit von uns selbst entfernt, dass wir uns unserer Handlungen, resultierend aus unseren Bedürftigkeiten nicht bewusst sind?

„Wo immer ein Mensch anfängt, wieder ein bisschen liebevoller mit sich selbst umzugehen, wird er merken, dass er sich erstens wieder mehr mit sich selbst verbindet. Und zweitens, wieder zum Gestalter seines eigenen Lebens wird“, sagt der Neurobiologe Gerald Hüther. Wenn man sich wieder mit seiner eigenen Lebendigkeit verbindet und wieder zum Gestalter seines Lebens wird, dann sind laut Hüther auch die beiden wichtigen Grundbedürfnisse gestillt: das nach Verbundenheit und das nach Autonomie.

„Und dann kommen die Menschen ganz automatisch wieder in ihre Kraft. Dann sind sie nicht länger Bedürftige, die darunter leiden, dass ihre Bedürfnisse nicht gestillt werden. Bedürftige müssen immer von anderen etwas bekommen. Sie sind ständig auf der Suche, weil ihnen ja etwas fehlt. Wenn man aber in diese eigene innere Kraft gefunden hat, zum Beispiel, weil man angefangen hat, liebevoll mit sich selbst umzugehen, verlässt man diesen Pfad der Bedürftigkeit und wird jemand, der aus seiner Kraft heraus anderen etwas schenken kann. Und dann sind solche Menschen nicht nur liebevoller zu sich selbst und mögen sich selbst mehr, sondern sie sind auch liebevoller zu anderen und wahrscheinlich auch zu allem, was lebt. Es ist eine Verwandlung, die jeder Mensch über diesen Weg offenbar relativ leicht vollziehen kann.“

Es gilt, mit der Natur in uns klarzukommen: Gedanken, Gefühle und wilde Ideen anzuerkennen und als unsere Grundlage zu akzeptieren.

Das wilde im Menschen erkennen und uns mit uns selbst im anderen versöhnen. Kulturwandel durch schonungslosen Blick auf unsere Bedürfnisse.

Im Norden angekommen

Ich habe mich viele Jahre intensiv mit dem Lebensrad befasst. Großartige MentorInnen, wie Susanne Fischer-Rizzi, Ursula und David Seghezzi, Elke und Aaron Loepthin-Gerwert, Hans und Sandra Müllegger, Bill Plotkin und das Leben selbst haben mich intensiv in meinem eigenen Leben forschen lassen und ich habe mich auf eine Reise begeben, die nicht immer einfach war.

Nun bin ich selbst ganz deutlich und spürbar auf der Nordhalbkugel des Lebensrades angekommen. Von der Liebe zur Mutter Erde auf meinem Herzensweg beflügelt, hat mich mein Wirken in der Welt auch immer wieder erneut in meine Seelentiefe hinabsteigen lassen.

Eine Seeleninitiation gleicht einem Betreten der dunkelsten Winkel des Lebens und ein Abstreifen der äußeren Schichten, um die tief liegenden, verborgenen Ummantelungen der Seele sanft zu bergen. Das fördert auch Schmerzen psychischer und physischer Art und große Trauer ans Licht. Diesen Prozess vollständig zu durchleben kostet Mut und braucht ein großes tiefes Vertrauen in das Leben. Danach erfolgt die Anerkennung und Integration des Durchlebten und der gewonnenen Erkenntnisse in das „alltägliche“ Leben. Das wiederum erfordert ebenso Mut und Stärke, denn die Menschen in deinem Leben und deine Mitwelt haben sich im Gegensatz zu dir in nichts verändert. Das sind Herausforderung, die dich noch einmal ganz tief in deinem Prozess zurückwerfen können.

Für mich war dieses Jahr ein solch intensives Jahr und ein längerer Prozess, der sowohl parallel zu meinem Alltag und in einem Initiationsritual zu einem Erkenntnisweg geführt hat, der schmerzhaft ehrlich geworden ist. Und mein klares Bekenntnis zum Leben hat sich in der Konfrontation des Vergänglichen erweitert.

Das eigene Ego in den Raum der Fürsorge ab zu legen und mich ganz und gar den Aufgaben zu widmen, die das Leben an mich heranträgt, ist eine Erfahrung, die mich zu meiner Quelle führt. Aus dem Inneren heraus leben, aus meiner ureigenen Seelentiefe für die Welt. Nicht mehr Bedürftigkeiten bedienen, sondern das Sein durch die täglichen Dinge des Lebens zu mir sprechen lassen.

Wie kann uns also eine Naturverbindungskultur gelingen?

Mich würden deine Sichtweise dazu sehr interessieren.
Haben wir noch eine Chance oder ist die menschliche Entfremdung schon viel zu mächtig geworden?

Ich freue mich über deine Nachricht!
Herzlichst,
Sabine